Eine Fälscherwerkstatt im Mostviertel

Ein Bericht von Hartmut Rüf
In der Umgebung von Waidhofen an der Ybbs, im niederösterreichischen Mostviertel, befindet sich ein aufgelassener Steinbruch, der eine jungsteinzeitliche Siedlung auf der Hügelkuppe anschneidet. Während des 19. Jahrhunderts wurden von den dortigen Arbeitern Steinwerkzeuge, vor allem Flachbeile, Klopfsteine und Halbfabrikate gefunden und an Interessenten, Sammler und Museen, verkauft. Zu einer Zeit starken und zunehmenden Interesses an Steinzeitfunden, um 1900, waren jedoch die Funde erschöpft. Desto größeres Aufsehen rief daher der Fund eines ganzen Depots von Steinwerkzeugen hervor. Fundort war das Grundstück einer Bäuerin in Seitenstetten, 15 km von Waidhofen entfernt, einer Frau Müller, in deren Keller, Acker und Gemüsegarten sowie beim Nachbarn in der nächsten Zeit wie bei der Ostereiersuche ständig weitere Steinwerkzeuge gefunden wurden.
Ein gewisser Hans Blank, Landesgerichtsrat und Verfasser von Forschungsarbeiten über das Neolithikum in Niederösterreich, vermutete frühzeitig Fälschungen unter den ihm vorgelegten Stücken. In der Folge setzte er es durch, dass alle Funde ihm vorgelegt werden mussten, die er dann an das Naturhistorische Museum schickte, welches den Fälschungsverdacht bestätigte. Ab diesem Zeitpunkt versiegte die reiche Fundquelle bei Frau Müller abrupt. Sie dürfte bei den fünfzig nachgewiesenen von ihr verkauften Steinwerkzeugen etwa hundert Kronen verdient haben, verglichen mit dem Tagesverdienst eines Arbeiters von zwei Kronen ein ordentliches Zubrot zu den Erträgen des Bauernhofes.
Stücke der Fälschungen befinden sich in allen großen Museen, vom Landesmuseum Linz bis zum Naturhistorischen Museum.
Es konnte nie sicher geklärt werden, wer der Produzent der Fälschungen war. Der Verdacht fiel auf einen Steinmetz, der über die Arbeit im Plattenberger Steinbruch steinzeitliche Flachbeile gesehen haben musste. Dementsprechend war die Qualität der Fälschungen nur bei den Flachbeilen hoch, noch heute gibt es in Sammlungen Steinbeile, deren Echtheit nicht geklärt ist. Zum Teil versah der Fälscher die Steinbeile mit einer Patina, indem er sie mittels Einlegen in ein Gewässer mit einer Algenauflage bzw. einer Kalkschicht tarnte. Für den Fachmann sofort zu erkennen sind hingegen Stücke mit Bohrlöchern. Während einige Äxte die für Originale zu erwartenden konischen Bohrlöcher aufweisen, ist bei den meisten Stücken aber zu erkennen, dass der Fälscher mangels Kenntnis der steinzeitlichen Technik zur Lochherstellung mit einem Zentrumsbohrer gearbeitet hat. An Halbfabrikaten fällt auf, dass Pickspuren fehlen, der Steinmetz dürfte die Stücke mit der Säge zugeschnitten haben. Neben Beilen und Äxten produzierte der Fälscher eine ganze Reihe von Phantasieformen, nachempfunden zeitgenössischen Metallwerkzeugen.
Als Material der Fälschungen wurde ein dunkelgrüner Serpentinit verwendet, der in Gstadt in der Nähe von Waidhofen gefunden wurde.
Verwendete Literatur:
Jakob Maurer: Alles aus Serpentinit! Die Fälscherwerkstatt von Waidhofen an der Ybbs (Niederösterreich) in: Beiträge zur Ur- und Frühgeschichte Mitteleuropas 75, 2014 S.31-42 Herausgegeben von Hans-Jürgen Beier, Ralph Einicke & Eric Biermann, Verlag BEIER & BERAN. ARCHÄOLOGISCHE FACHLITERATUR LANGENWEISSBACH 2014