Einbäume: Die historische Entwicklung

Ein Bericht von Hartmut Rüf

Einbäume sind die älteste Bootsform, die archäologisch nachweisbar ist.
Die Grundform ist ein ausgehöhlter Baumstamm, dessen Unterseite der natürlichen Rundung des Stammes folgt. Der Bug wird nach vorne ansteigend angeschrägt (Löffelbug).
Eine erste Änderung gegenüber der Grundform bestand im Anbringen von Stegen (Querrippen), die aus dem vollen Holz belassen wurden. Sie können als Unterteilung oder als Sitzbank dienen, ihr Hauptzweck ist jedoch die Erhöhung der Verwindungssteifigkeit des Einbaums (erforderlich insbesondere bei längeren Exemplaren) und erlauben damit auch die Wanddicke zu verringern.
Bereits in der Mittelsteinzeit wurde ein wesentlicher Schritt getan: das Abschneiden des Hecks (in konsequenter Fortführung manchmal auch des Bugs) und der Verschluss der Öffnung mit einem Schott (Spiegel). Bug und Heck im klassischen Einbaum stellen eine Schwachstelle dar, da dort die Bearbeitung des Holzes gegen die Faserrichtung erfolgt. Der Notwendigkeit der Abdichtung steht eine Gewichtsreduktion und damit deutliche Erhöhung der Nutzlast gegenüber.
Die Form des Stammes beschränkt Form und Größe von Einbäumen. Bereits im Neolithikum wurden Einbäume zur Erhöhung der Nutzlast aufgeweitet, d.h. unter Einwirkung von Hitze/Wasser wurden die Seitenwände aufgebogen und mittels Spanten in der gewünschten Form fixiert.
Der nächste Schritt war eine Erhöhung der Längsseiten des Einbaums mittels des Aufbaues von Planken (Setzbord).
Ob zu dieser Zeit oder erst in der Bronzezeit Schlingerleisten (waagrechte Bretter entlang des Rumpfes in der Wasserlinie) verwendet wurden, ist umstritten. Der Einbaum rollt dadurch weniger, auf Grund der höheren Stabilität im Wasser kentert er weniger leicht. Beim neolithischen Boot aus dem Lago Bracciano wurden Löcher an der Außenseite vorgefunden, die in der Richtung eines derartigen Einbaues interpretiert werden können.
Die weitere Entwicklung in der Bronzezeit verändert den Einbaum zunehmend in Richtung der Konstruktionsart heutiger Boote (Fortentwicklung Plätte/Prahm – flaches kielloses Boot): Zwei Bäume wurden ausgehöhlt und bilden die rechte bzw. linke Seite des Einbaums, der Boden wird verbreitert, indem eine oder mehrere Planken eingefügt werden. Ein System von Spanten verbindet die Konstruktion. Unmittelbare Ursache für die Änderung war möglicherweise ein Mangel an genügend starken und auch zugänglichen Bäumen für die klassische Bauform.
Eine höhere Nutzlast lässt sich über die Verbindung zweier oder mehrerer Einbäume mit einer Plattform erreichen. Eine derartige an der Adria aufgefundene bronzezeitliche Konstruktion besitzt zur Stabilisierung auch einen Ausleger, eine Bauform, die sich nur bei im Meer eingesetzten Einbäumen durchgesetzt hat.
Einbäume in der klassischen Form wurden in Europa bis in die Neuzeit verwendet, am Mondsee beispielsweise wurden derartige Boote noch im 20. Jahrhundert gefertigt.

Verwendete Literatur:

Jost Auler: Dechsel, Beil und viele kleine Hände. Nachbau eines funktionstüchtigen Einbaums. In: Römer zum Anfassen. Mythos und Fakten. Katalog Clemens-Sels- Museum. Neuss 2018, S. 59-66.
Tobias Thomas Duczek: Einbäume im Spiegel der Zeit, Bachelor of Arts-Arbeit Universität Bochum, Lünen 2014
Wulf Hein: Fellboot, Floß und Einbaum Wasserfahrzeuge der Urgeschichte im Experiment, in: Mitteilungen der Anthropologischen Gesellschaft in Wien (MAGW) Band 142, 2012, S. 121-136
Henrik Pohl: Einbaumfunde aus dem Salzburger Land, in: Archaeologia Austriaca, Band 90/2006, S. 73-86, Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, Wien

Die ältesten Einbäume Europas

Ein Bericht von Hartmut Rüf

Seit Urzeiten benützen die Menschen Wasserwege zur Fortbewegung. Flüsse und Seen eröffneten häufig ein leichteres Durchkommen als die Urwälder vergangener Zeiten. In allen Erdteilen werden Einbäume nach wie vor verwendet oder sind historisch bezeugt.
Die ältesten erhaltenen Exemplare stammen aus dem Mesolithikum (Mittelsteinzeit) und wurden aus Kiefer gefertigt entsprechend der damaligen Hauptbaumart. Die nacheiszeitliche Landschaft in Europa entsprach der heutigen sibirischen Tundra, in der sich im Zuge der langsamen Erwärmung Kiefernwälder ausbreiteten. Ab dem 8. bis 7. Jahrtausend v.Chr. stiegen die Temperaturen insbesondere in Nordwesteuropa zu einem Maximum mit bis zu 2,5°C über den heutigen Stand an, was zur Entstehung von Eichenwäldern bis hoch im Norden in Skandinavien führte. Ab dieser Zeit treten in Europa als Holzart für Einbäume Laubhölzer in den Vordergrund, auf Grund der erhöhten Haltbarkeit vorwiegend Eiche, in Dänemark und der Schweiz wurde auch das sehr gut bearbeitbare Lindenholz verwendet.
Der niederländische Archäologe Jan Lanting geht von zwei Zentren aus, von denen aus sich ab dem Mesolithikum der Gebrauch von Einbäumen in Europa verbreitet hat: ein nördliches/nordwestliches Zentrum mit dem ältesten gefundenen Exemplar, dem Einbaum von Pesse, Niederlande (Datierungen 7000 bzw. 8000 v.Chr.), den zwei Booten von Nandy/Le Coudray Montceaux Frankreich (um 7000 v.Ch.), Noyen-sur-Seine Frankreich (ebenfalls um 7000 v.Chr.) und dem Boot von Dümmerlohausen Niedersachsen BRD (um 6500 v.Chr.). Die südliche wahrscheinlich unabhängige Ausbreitungslinie ist gekennzeichnet durch die Einbäume von Hotiza, Slowenien (um 6000 v.Chr.) und Lago di Bracciano (um 4600 v.Chr.).
Im Neolithikum (Jungsteinzeit) sind nach wie vor mittelsteinzeitliche Kulturen (Ertebolle) an der Ostsee und der norddeutschen Tiefebene die Zentren der Einbaumfertigung. Die besondere Kunstfertigkeit der Einbaumbauer zu dieser Zeit an der Ostsee zeigt sich in Exemplaren aus Lindenholz mit bis zu 12 m Länge und einer Wanddicke hinunter bis zu 1 cm.
In Süddeutschland gibt es eine Häufung von Einbäumen am Federsee, davon einige neolithische und zahlreiche bronzezeitliche Exemplare. Bei Konstanz am Bodensee wurde zuletzt ein Einbaum aus dem 23. Jh. v.Chr. geborgen, er ist damit der älteste vom Bodensee.
Nach Osten hin werden die Einbaumfunde immer spärlicher, in den bayrischen Seen und am Inn wurden einige wenige eisenzeitliche Exemplare entdeckt. Eine Ausnahme dazu stellt der Fund eines bronzezeitlichen Einbaumes im Längsee in Kärnten dar.
An den Salzkammergutseen wurden bisher keine prähistorischen Einbäume gefunden, obwohl insbesondere am Attersee auf Grund der großen Anzahl von nachgewiesenen Feuchtbodensiedlungen mit Sicherheit anzunehmen ist, dass es Wasserfahrzeuge gegeben hat.

Verwendete Literatur:
Béat Arnold: Transports lacustres et fluviaux pendant la Préhistoire. Les chemins de l’histoire (ViaStoria), 2014 (Archéologie et histoire), pp. 13-17
Béat Arnold, Miran Erič, Andrej Gaspari, Dragan Živadinov, Franc Solina, Saša Koren (arheologinja.), Sara Ćorković, Matej Školc: Global Initiative: Early Watercraft – A Global Perspective of Invention and Development: The First Ambassadors Meeting Minutes : Vrhnika, Slovenia, 19th – 23rd of April 2015
Béat Arnold: Les pirogues néolithiques de Paris-Bercy. In: Archaeonautica, 14, 1998. Construction navale maritime et fluviale. Approches archéologique, historique et ethnologique. pp. 73-78;
Per Hoffmann, Martin Mainberger: Katalog der archäologischen Schiffs- und Bootsfunde in Deutschland. http://www.uwarc.de/schiffsfunde/
Stefanie Klooß: Fischfang zur Zeit der Neolithisierung an der südwestlichen Ostseeküste, Archäologische Informationen 36, 2013, 215-228
Jan Lanting: Dates for origin and diffusion of the European logboat. Palaeohistoria 39/40, 1997/98, 627-650.

Mario Mineo, Maria Antonietta Fugazzola Delpino: La piroga neolitica del lago di Bracciano (“La Marmotta 1”), Bullettino di Paletnologia Italiana 86 (1995) pp.197-266
Michel Philippe: Un état des connaissances sur la navigation préhistorique en Europe atlantique, Bulletin de la Société Préhistorique Française, 115, 3, p 567-597, October 2018